Wenn Menschen Schlimmes erfahren, wenn ihnen die Macht und die Selbstbestimmung genommen wird, sie zu Opfern werden, dann ist es schwer, an das Überleben zu glauben. Korbinian Aigner hat es geschafft, mit Kunst und der Züchtung von Apfelsorten im Konzentrationslager zu überleben.
Geldstrafen, Zwangsversetzungen, Verhaftungen, Gefängnisaufenthalte und Inhaftierungen im Konzentrationslager Sachsenhausen sowie Dachau – Korbinian Aigner (1885-1966) war zeitlebens politisch engagiert und ein Gegner des Nationalsozialismus. Für den Widerstand, den er gegen die NSDAP leistete, wurde er von den Nationalsozialisten in Dachau inhaftiert und erlitt schwere Traumata. In beiden KZ`s musste der so genannte „Apfelpfarrer“ Zwangsarbeit unter schweren Torturen in der Landwirtschaft ableisten.
Als Häftling mit der „Nummer 27788“ begann er im Jahre 1941 in Dachau aus Apfelkernen die Apfelsorten KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4 zu züchten, was man als weiteren „Akt des Widerstandes“ (Begleitbuch, S. 34) gegen das NS-System, aber auch als Überlebensstrategie in einer schlimmen Leidenssituation mit traumatisierender Wirkung ansehen kann. Die Apfelsorte KZ-3, die später in Korbiniansapfel umbenannt wurde, wird noch heutzutage angebaut.
Aigner war nicht nur Apfelkundler, sondern auch Künstler – und zwar Konzeptkünstler. In den Jahren 1912-1960 fertigte er ungefähr 900 verschiedene Zeichnungen von diversen Apfel- und Birnensorten im Postkartenformat an. 369 Aquarelle dieser monumentalen Bildersammlung, die einzelne Obststücke oder auch Obstpaare zeigt, sind im Kasseler Fridericianum zu betrachten.
Zum Gedenken an diesen herausragenden Mann hat die künstlerische Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn Christov-Bakargiev, 2011 in der Kasseler Karlsaue einen Korbiniansapfelbaum gepflanzt. Ganz nach dem Motto: Unscheinbarer Baum, bedeutende Geschichte.
(lb)