Sträucher, Bäume und Blumen: Buch schafft mit ihrer Installation auf dem Kasseler Friedrichsplatz vor dem Staatstheater eine Oase für Tagfalter.
Ich nähere mich an einem eher trüben und windigen Tag dem Kunstwerk der deutschen Künstlerin und studierten Biologin Kristina Buch (* 1983). Fasziniert beobachte ich die Vegetation, bestehend aus verschiedenen Gewächsen, die auf einem erhöhten Podest zu sehen ist. Ich höre, wie der Wind durch die Luft jagt und die Blätter zum Rascheln bringt, ich höre das Summen der Bienen und ich höre aber auch das Heulen lauter Motoren – denn die gebürtige Meerbuscherin platzierte ihr Werk direkt neben der gut befahrenen Kasseler Hauptstraße. Extra für die Tagfalter hat sie in ihrer Installation mehrere Schmetterlingssträucher gepflanzt, die als Nahrungsquelle und Herberge für diese dienen. An diesem Tag habe ich leider nur wenige Schmetterlinge sichten können, bei dem Wetter wundert es mich auch nicht.
Schmetterlingsstrauch
© Livia Blum
Buch ermöglicht Tagfaltern optimale Lebensbedingungen
Ihr Kunstwerk für die dOCUMENTA (13) „The Lover“ besteht aus einem Gerüst, das einen riesigen Pflanzkasten trägt. Es handelt sich hierbei um einen „hängende[n] Garten“ (Begleitbuch, S. 50). Buch pflanzte mit System: In der Mitte des Beetes setzte sie verschiedene farbenfrohe Blumenarten, die ihre volle Blütenpracht bereits entfaltet haben. Diese umrandete sie mit Disteln und Brennnesseln, welche eine besonders gute Nahrungsquelle für Schmetterlinge bieten. Aber ich sehe auch eine verdorrte Pflanze und frage mich, warum die heute in Düsseldorf lebende Künstlerin diese nicht entfernt oder sogar durch eine gesunde Pflanze ersetzt hat. Denn solch eine vertrocknete Pflanze strahlt doch kein Leben aus, sie passt nicht zu in der Luft tanzenden, bunten Schmetterlingen. Oder doch?
Vertrocknete Pflanze als Teil des Kunstwerkes?
© Livia Blum
Ein Projekt, mehrere Aussagen?
Wirft man einen Blick auf die Informationstafel, so liest man, dass sich die Künstlerin in ihrem Werk u.a. mit vielfältigen Themen wie der Vergänglichkeit, der Ungewissheit, der Hoffnung und der Freiheit auseinandersetzt. Die vielen Schmetterlinge, die während der größten Weltkunstausstellung aus ihren Puppen geschlüpft sind, symbolisieren Freiheit, wie dem Begleitbuch zu entnehmen ist. Sie tanzen in der Luft, flattern von Blüte zu Blüte, verlassen vielleicht das Kunstwerk – sie sind ungebunden. Indem die Künstlerin selbst während der dOCUMENTA (13) neue Puppen zieht und diese in ihrem Werk aussetzt, schafft sie dadurch neues Leben, das für mich für Hoffnung und Zukunft steht.
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Biowiese als Lebensraum für Falter
Eine Aussage aus einem Interview-Ausschnitt von Buch lässt mich grübeln. Sie sagt, dass Schmetterlinge vielleicht gar nicht so frei seien, da sie doch den Nektar der Pflanzen als Nahrung bräuchten, um überhaupt leben zu können. Mir stellen sich die Fragen: Was wird mit Schmetterlingen und anderen Lebewesen passieren, wenn wir Menschen immer mehr Wälder abholzen und beispielsweise unsere Rasenflächen weiterhin akkurat mähen? Nehmen wir den Tieren damit nicht die Grundlage zum Leben? Buchs Projekt regt mich zum Denken an und bringt mich zu dem Entschluss, den Schmetterlingen in meinem Garten ein Stück Natur zurückzugeben – und zwar in Form einer kleinen Fläche, die nicht gemäht wird und auf der Wildblumen gesät werden.
Der Lebenskreislauf?
Die vertrocknete, leblos aussehende Pflanze könnte meiner Meinung nach für Vergänglichkeit stehen. Für eine gewisse Zeit entfaltet sie ihre komplette Schönheit, aber irgendwann ist ihre Lebensdauer vorbei und sie vertrocknet. Möchte Kristina Buch in ihrem Werk vielleicht den Kreislauf des Lebens anhand der Pflanzen und Schmetterlinge darstellen? – Die Entstehung neuen Lebens, das Leben selbst, das so selbstbestimmt und frei wie möglich sein sollte, das Alter und schließlich den Tod?
Blumenpracht
© Livia Blum
dOCUMENTA (13)-Tagfalter in 2013?
Ob die Tagfalter auf ihrer Reise durch Kassel ihre Eier an einem geeigneten Platz ablegen und ob daraus im nächsten Jahr neue Schmetterlinge schlüpfen werden, ist ungewiss. Aber ich finde, es ist ein schöner Gedanke, dass wir vielleicht im nächsten Jahr, einem dOCUMENTA (13)- Schmetterlingsabkommen begegnen könnten.
(lb)