„Idee di Pietra“

© Constanze Wölm

Den auf den ersten Blick abgestorben wirkenden Baum mit dem großen Findling in der blattlosen und kargen Baumkrone, welcher bereits seit 2010 mitten im Auepark steht, kennt bestimmt so ziemlich jeder in Kassel. Das von Guiseppe Penone erfundene Kunstwerk heißt Idee di Pietra“ ,was auf Deutsch „Vorstellungen eines Steins” bedeutet. Die Vorstellungen eines drei Tonnen schweren Granitsteins, welcher auf einem Baum aus Bronze zu schweben scheint.

Erste Eindrücke von der dOCUMENTA (13)

Beim Rundgang durch Kassel fällt auf: Geheimnisse, viele Fragen, kaum Antworten.

Die dOCUMENTA (13)-Künstler hüten ihre Kunstwerke wie teure Schätze, das haben wir in den letzten Wochen bereits gemerkt. Die meisten Kunstwerke sind unter weißen Kunststoffplanen verhüllt, sodass der neugierige Besucher nur Vermutungen über die darunter verborgenen Werke anstellen kann. Steht man vor der weißen Plane, möchte man doch zu gern einen raschen Blick über den Zaun wagen, weil die Neugierde nahezu unerträglich ist, oder? Aber man tut es natürlich nicht.

Assoziationen und viele Vermutungen….

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© Livia Blum

Mich persönlich erinnern diese Verpackungen sehr an den bulgarischen Verhüllungskünstler Christo Wladimirow Jawaschew (* 1935), kurz Christo genannt. Einigen müsste dieser außergewöhnliche Künstler, der beispielsweise im Jahre 1995 mit weißem, feuerfestem Kunststoffgewebe den Reichstag komplett verpackte, bekannt sein. Man kann eigentlich sagen, dass er alles verhüllt hat, was es gab: 11 Inseln in Miami Beach, Fußwege in Kansas City, den „laufenden Zaun“ in Kalifornien und vieles mehr. Anders als bei der dOCUMENTA (13) waren für ihn die Verhüllungen selbst Kunst, die dOCUMENTA-Künstler schützen jedoch ihre Kunstwerke lediglich durch weiße Stoffbahnen vor den interessierten Besuchern. Auf dem unteren Foto sieht man auf dem Kasseler Theaterplatz ein verhülltes Objekt. Was sich wohl hinter der Stoffbahn verbirgt? Man wird es am 09. Juni 2012 erfahren. Dagegen sieht man im Hintergrund die St. Elisabeth-Kirche mit der Turmskulptur des deutschen Bildhauers Stephan Balkenhol (* 1957), ein bereits präsentes Kunstwerk.

Geht man in die Karlsaue, so entdeckt man an vielen Ecken Objekte, die zur dOCUMENTA (13) gehören oder gehören könnten. So wirkt beispielsweise ein schlichter Bagger schon „verdächtig“ und man fragt sich, welches Projekt hier von einem Künstler in Auftrag gegeben wurde. Es könnte sich natürlich auch um ganz normale Bauarbeiten in der Aue handeln. Was entsteht hier also? Weiterhin findet man überall im Auepark verteilteingezäunte Holzhütten oder Metallhäuschen.

© Livia Blum

© Livia Blum

Oft wundert man sich auch über verschiedene Objekte, wie z. B. über dieses Holzpodest mit hölzernem Kasten. Was soll hier entstehen? Oder befindet sich in dem Kasten bereits das Kunstwerk? Und immer wieder fällt mir mehr und mehr auf, dass die dOCUMENTA (13) mit Geheimnissen spielt, die die Zuschauer zu gern schon jetzt gelüftet hätten.

© Livia Blum

Asterix und Obelix in Kassel?

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dieser blätterlose Baum mit einem riesige Stein in seiner Krone, erinnert mich tatsächlich an Asterix und Obelix. In der Comicserie gibt es viele Szenen, in denen der kräftige Obelix einen schweren Hinkelstein auf seinem breiten Rücken trägt. Seltsamerweise musste ich, als ich dieses Werk bewunderte, sofort daran denken. Es handelt sich hierbei um die Kunst des Italieners Giuseppe Penone (* 1947), dessen Kunstwerk „Idee di pietra“ schon seit dem 21. Juni 2010 die Karlsaue ziert.

© Livia Blum

Was hat das Kunstwerk für eine Bedeutung?

Natürlich liegt für mich auch der Gedanke an den deutschen Aktionskünstler Joseph Beuys (1921-1986) nicht fern. Da ich mich über einen längeren Zeitraum mit seinem im Jahr 1982 entstandenen Landschaftskunstwerk „7000 Eichen“ beschäftigte, musste ich beim Betrachten sofort daran denken. Die Materialien, die damals schon Beuys verwendete, nämlich die Verbindung zwischen Baum und Stein, wurden auch hier aufgegriffen. Anders als bei Beuys, der einen Stein neben eine Eiche setzte, befindet sich hier der Stein in der Baumkrone. Um welchen Baum handelt es sich hier eigentlich, ist er überhaupt echt? Ich bin der Meinung, der Baum sieht nicht wirklich lebendig aus. Im Gegenteil, er macht auf mich eher einen leblosen Eindruck, da er keine Blätter hat. Wenn ich genau hinsehe, ist er auch nicht im Boden verwurzelt. Was möchte uns der Künstler mit seinem Werk sagen? Beuys` Kunstwerk lässt sich hinsichtlich ökologischer und gesellschaftskritischer Intentionen deuten. Er wollte den Menschen durch sein Projekt wieder einen Zugang zur Natur schaffen. Umso mehr interessiert es mich natürlich, was diese Baum-Stein-Kombination bedeutet und wie der Künstler selbst sein Werk deutet. Oder lässt er den Betrachtern den Freiraum, das Werk eigenständig zu deuten?

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© Livia Blum

Erst beim genaueren Hinsehen ist mir noch aufgefallen, dass aus der Erde am Fuße des Stammes ein kleines Bäumchen wächst. Auch dieses Werk gibt wie viele weitere Rätsel auf. Ich bin gespannt, was uns die dOCUMENTA (13)-Stadtführer über den Sinn der Kunstwerke berichten.

(lb)